Humphrey, der schwarz-weiße Kater, lebte einst auf den Straßen des alten Londons. Aber er hatte das Glück, die richtigen Leute zu treffen – und so fand er einen Platz im Büro des britischen Premierministers ein, erhielt ein stattliches Gehalt und verabschiedete sich von drei Ministern, bevor er selbst in den ehrenvollen Ruhestand ging.
Er rannte weg, man plante, ihn zu entführen, und alle Zeitungen schrieben über ihn – so verlief das Leben der Katze aus der Downing Street.
Es wird gesagt, dass der erste Chef-Mausefänger im 16. Jahrhundert in der Downing Street erschien, als der damalige Kardinal Thomas Wolsey seine geliebte Katze zur Regierungssitzung mitbrachte. Zumindest hat er versucht, sie nicht abstimmen zu lassen. Aber die Katze musste definitiv arbeiten und nicht zu knapp. Die alten Steingebäude im Zentrum Londons waren buchstäblich mit Mäusen und Ratten bevölkert, und in der Nähe gab es den St. James’s Park mit vielen schattigen Ecken und einem Teich.
Jedoch wurde bis 1924 den Katzen im Büro des Lordkanzlers kein Gehalt gezahlt. Erst im Juni 1929 beschloss ein Vertreter des Finanzministeriums, täglich 1 Penny aus dem Wechselgeld für die Versorgung einer “tüchtigen Katze” auszugeben. Zu dieser Zeit konnte man dafür etwa 100 Gramm Fleisch kaufen. Allerdings ging man wohl davon aus, dass eine effektive Katze sich ihr Futter selbst besorgen würde.
Zehn Jahre später wurde das Katzengeld auf 1 Schilling und 3 Pence pro Tag erhöht. Wie man sieht, war die berufliche Katze das Geld wert, das für sie ausgegeben wurde. Als Humphrey im Jahr 1989 den Posten des Mäusefängers mit einem Jahresgehalt von hunderttausend Pfund antrat, war das Rattenproblem in der Downing Street akut: Ein eigens angestellter Mann mit dem vierzigfachen Gehalt konnte nichts gegen die Invasion der Ungezieferplage ausrichten, die sich in den alten Gemäuern der Regierungsgebäude wohl fühlte.
Humphreys Vorgänger, Kater Wilberforce, war bereits im Amt und diente Großbritannien, bis er aufgrund von Altersschwäche starb. Es gab auch andere Katzen vor ihm, aber die Geschichte hat ihre Namen nicht aufbewahrt; Katzen wechselten, Premierminister wechselten. Manchmal war es die persönliche Katze des Premierministers, die das Amt übernahm, aber oft war es jemand von außerhalb. Humphrey war erst ein Jahr alt, als Schatzkanzler Alistair Darling beschloss, das Rattenproblem in den Griff zu bekommen und ihm ein streunendes Kätzchen von der Straße brachte. Er bekam den Namen Humphrey nach einer Figur aus einer Comedy-Serie über einen britischen Premierminister.
Margaret Thatcher war an der Macht, als Humphrey seinen Platz einnahm. Die Bürger und die Presse liebten ihn einfach; als der charmanteste Staatsangestellte (der Mitarbeiter Nummer 10, wie er genannt wurde) wurde Humphrey oft zum Ziel von Klatschgeschichten. Einmal wurde er fälschlicherweise beschuldigt, junge Goldhähnchen gefressen zu haben, die auf dem Fensterbrett der Kabine des damaligen Premierministers John Major ein Nest gebaut hatten. Am nächsten Tag gab der Premierminister eine Erklärung ab, dass Humphrey zu Unrecht beschuldigt worden war, und erst 12 Jahre später gab ein Journalist zu, dass die ganze Geschichte mit den Jungvögeln eine Ente war, als Humphrey bereits verstorben war.
In Bezug auf Enten – die nächste Anschuldigung ließ nicht lange auf sich warten: Jemand behauptete, Humphrey sei im nahe gelegenen Park dabei gesehen worden, wie er eine Ente misshandelt hatte. Im nächsten Jahr verschwand Humphrey plötzlich; die Regierung schwieg über diesen Verlust, bis Alistair sich versehentlich während eines Interviews mit der Times-Journalistin verplapperte. Sheila Gunn erwähnte im Gespräch, dass ihre Katze gestorben sei, woraufhin sie zusammen mit einem Beileidswort hörte, dass Humphrey spurlos verschwunden sei. Diese Geschichte wurde auf der Titelseite gedruckt und der unabsichtliche Versprecher half dabei, den Verlust zu finden – genau dort, wo ihn niemand erwartet hatte.
Es stellte sich heraus, dass vor kurzem an der Royal Army Medical College ein neuer Mausfänger aufgetaucht war, auf den sie sich dort sehr freuen: ein pummeliger, flauschiger schwarz-weißer Kätzchen. Offensichtlich hatte Humphrey alle Mäuse im heimischen Zuhause gefangen und beschlossen, in der Nachbarschaft als Gelegenheitsjob zu arbeiten. Er wurde gefangen und zurückgebracht. Ein paar Tage später trat der Chefmäusefänger mit einer offiziellen Erklärung auf.
„Ich habe einen wunderschönen Urlaub im Medical College der Royal Army verbracht, aber ich bin froh, zurückzukehren und freue mich auf die neue Parlamentssitzung.“
Seine Gesundheit hatte schon lange gelittenю Im Alter von fünf Jahren wurde bei Humphrey eine Nierenerkrankung diagnostiziert, er wurde auf eine spezielle Diät gesetzt (ob Mäuse darin enthalten waren, ist unbekannt), und allen Mitarbeitern im Büro des Premierministers wurde verboten, ihren schwanzwedelnden Kollegen zu füttern. Im Jahr 2007 kam Tony Blair an die Macht; er zog mit seiner Frau Cherie nach Downing Street. Sheila Gunn, die zu diesem Zeitpunkt Beraterin des Premierministers für Pressearbeit geworden war, begann Gerüchte zu verbreiten, dass die Frau des Premierministers den Chefmäusefänger nicht besonders mochte.
Selbst ein Pressefoto, das Cherie Blair mit Humphrey auf dem Arm zeigte, konnte den Verdacht nicht zerstreuen. Es gab Gerüchte, dass Humphrey für das Foto betäubt worden war (obwohl es logisch gewesen wäre, die Frau des Premierministers zu betäuben, wenn es um sie ging). Jedenfalls endete der Konflikt damit,dass Jonathan Rees, Humphreys oberster Betreuer in der Regierung, im Namen der Katze einen Antrag auf eine Rente stellte. Diesem Antrag wurde stattgegeben.
Im Alter von elf Jahren, sechs Monate nach dem Amtsantritt von Tony Blair, zog sich Humphrey heimlich in das Landhaus eines Mitglieds des Kabinetts des Premierministers zurück. Die Art und Weise, wie der Kater verabschiedet wurde, heizte die Gerüchte nur noch weiter an: Der Premierminister soll den Kater fast getötet haben – und das alles nur, weil das Personal befürchtete, dass die Popularität des Katers einen üblen Streich spielen würde, damit man nicht versuchte, ihn zu entführen. Humphrey lebte mehr als sieben Jahre lang im Ruhestand, in aller Stille und fernab von Klatsch, Gerüchten und politischen Spielchen, und verstarb in ihrem achtzehnten Lebensjahr.